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Pressemitteilung

Die Heimat ist nicht eng

Laudatio zur Verleihung der Josef-Schlicht-Medaille an Maria Birkeneder am 15.12.2025

Bernhard G. Suttner M.A.:

Die Heimat ist nicht eng

Laudatio zur Verleihung der Josef-Schlicht-Medaille an Maria Birkeneder am 15.12.2025

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Sehr geehrter Herr Landrat, meine sehr geehrten Damen und Herren, geschätzte Trägerinnen und Träger der Josef-Schlicht-Medaille, liebe Maria,

Josef Schlicht hat das Bild der Heimat, die tägliche Arbeit der Menschen und die Bräuche seiner Zeit lebhaft beschrieben. Das hilft uns, unsere Herkunft besser zu verstehen und manches besser einordnen zu können. Vor ihm und nach ihm haben viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, auch interessierte und kundige Laien mit Begeisterung die Geschichte und das Brauchtum beschrieben. So ist ein großer Schatz entstanden, der uns allen hilft, unsere Wurzeln zu kennen, sich mit ihnen Halt zu verschaffen und Kraft zu schöpfen.

Vieles von dem, was erforscht und beschrieben wurde ist mittlerweile verschwunden. Um manches ist nicht schade. Man darf nicht vergessen, dass frühere Zeiten z.B. die Gewalt im Alltag gegen Kinder und Frauen, die Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung und die Abwertung von Minderheiten als „Normalität“ kannten. Es war nicht alles erhaltenswert, was zum Heimatlichen zählte. Auch heute gibt es Gewohntes, das künftig Kopfschütteln auslösen wird…

Anderes ist verschwunden, obwohl es gutgetan hätte, es zu erhalten. Wenigstens wurde es von der Heimatforschung anschaulich beschrieben, manches auch museal gepflegt und als Rarität erhalten. Oft ist so eine Erzählung, ein Bericht oder eine Beschreibung dann auch Quelle von schmerzlicher Enttäuschung – „schad drum“ seufzt man dann.

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Und schon sind wir bei den Leistungen der neuen Trägerin der Josef-Schlicht-Medaille Maria Birkeneder: Meines Wissens hat sie sich zwar immer gründlich kundig gemacht über die Projekte, in die sie aktiv eingestiegen ist. Aber es ging und geht ihr um anderes: Nicht das Beschreiben und Katalogisieren von Verlorenem ist ihr Metier; sie wollte und will erhalten und beleben. Sie hat angepackt, um Heimatliches in voller Funktion an die nächsten Generationen übergeben zu können.  

Ihr Beitrag zum Erhalt des heimatlichen Stromes als Lebensader der Heimat, kann kaum hoch genug eingeschätzt werden. Wir alle wissen, dass Hans-Jürgen Buchner dem damaligen Ministerpräsidenten sehr wirkungsvoll sein „Lied für die Donau“ vorgetragen hat. Nur wenige wissen, dass Maria Birkender mit einer – heute würden wir sagen Meisterleistung des „net-workings“ – Wissenschaftler in den Prozess der Meinungsbildung unseres Kreistages eingeführt hat. Die dabei vermittelten Daten und Sichtweisen haben seinerzeit bei allen hier in diesem Raum große Nachdenklichkeit ausgelöst und viel Erkenntnis über Sinn und Unsinn der geplanten Bau- und Staumaßnahmen am Strom geschaffen. Es ist müßig darüber zu grübeln, ob Haindlings Lied oder der von Maria Birkeneder herbeigeführte einstimmige Beschluss des Kreistages von Straubing-Bogen mehr bewirkt hat. Beides hat auf seine eigene Weise geholfen.

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An Größe nicht ganz vergleichbar mit dem Wirken für die strömende Donau ist Maria Birkeneders Einsatz für den Erhalte des Spitalwaldes. Eine große Mülldeponie sollte dort entstehen. Viele Stunden, Tage, Wochen und Monate hat sie sich mit anderen in die juristischen und technischen Fragen eines Planfeststellungsverfahrens und speziell der Mülltechnologie hineingearbeitet. Auch hier war man - wie bei der Donau - erfolgreich. Natur bleibt auch im Spitalwald Natur!

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Und als dann mitten in Mitterfels das alte Haus zur Disposition stand und keineswegs gleich alle sich einige waren, dass man da einen Schatz vor Augen hat, ging es wieder um rettende Taten. Und wieder gelang es Maria Birkeneder Fachleute einzuschalten. Der damalige Generalkonservator Prof. Greipl kam nach Mitterfels - wurde nach Mitterfels geholt! -, besichtigte die Hien-Sölde, bewertete die vorliegenden Forschungsergebnisse und stellte fest, dass wir es hier mit einer baugeschichtlichen Rarität zu tun haben, die an Seltenheit mit der „Blauen Mauritius“ zu vergleichen sei. 

Heimat besteht – wie so vieles auf der Welt – einerseits aus dem Natürlichen, das uns sozusagen geschenkt und vorgegeben ist und andererseits aus dem Kulturellen, das sich die Menschen selber entwerfen, bauen und gestalten.

Der Einsatz für die strömende Donau und der Einsatz für die Hien-Sölde stellen geradezu musterhaft diese beiden Seiten der Heimatliebe dar.  

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Und dann ist da noch der „kleine Weltladen“ in Mitterfels. Er existiert nicht mehr, weil die Idee, die hinter ihm stand und steht mittlerweile erfolgreich ist. Die Idealistin Maria Birkeneder ist nämlich auch eine echte Realistin. Wenn es all die fairen Waren des kleinen Weltladens mittlerweile auch im großen Supermarkt gibt, dann ist das Engagement wegen seines Erfolges in der alten Form nicht mehr nötig.

Zu diesem Erfolg gehört es natürlich auch, dass unser Landkreis mittlerweile das Zertifikat „Fair-Trade-Landkreis“ trägt. Da haben sich zwei „Waldler“ getroffen: Der Landrat Sepp und die Maria und haben an einem Strang gezogen – noch dazu am gleichen Ende!

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Am Gedanken des fairen Handels zeigt sich, dass der Heimatbegriff von Maria Birkeneder christlich geprägt ist: Christinnen und Christen sind davon überzeugt, dass wir Menschen alle als Kinder Gottes in der Schöpfung Gottes miteinander verwandt sind. Was heute aus gewissen Richtungen als „Globalismus“ bekämpft wird und mit dem aggressiven „Wir zuerst!“ gekontert wird, ist für Menschen mit einem aus dem Evangelium genährten Weltbild Normalität: Wir haben unterschiedliche Herkünfte, singen unterschiedliche Lieder und feiern verschiedene Fest – aber wir sind alle Menschen mit gleicher Würde!

Es ist gut, seine Herkunft, die Orte und Bräuche, die Sprache und die regionale Küche ganz besonders zu schätzen. Aber es gehört zur Wahrheit, dass die eigene Heimat ein Teil des großen Ganzen ist und dass es eine Existenz ohne Zusammengehörigkeit mit anderen einfach nicht geben kann. Die Heimat ist nicht eng! Haibach, Mitterfels, Straubing-Bogen und Niederbayern sind nicht für sich denkbar. Wir alle gehören zu diesem Planeten – er ist die Heimat und seine Stabilität muss für uns alle oberstes Ziel sein.   

Der im vorigen Jahr verstorbene französische Philosoph Bruno Latour – auch ein etwas aufrührerischer Katholik – hat seine letzten Jahre dem Gedanken gewidmet, dass die Menschen endlich „terrestrisch“ denken müssen: Es sei absurd, nach dem Mars zu schielen – man müsse endlich mit fester Absicht und höchstem Engagement sicher auf der Erde landen und sich an ihren gesetzten Bedingungen ausrichten.

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Eine Laudatio auf Maria Birkeneder darf sich nicht nur um sie selber drehen: Maria hat - wie sie selber sagt – immer in Gemeinschaft ihre Projekte angepackt und durchgeführt. Ökumene, also das Überwinden künstlicher Trennungen im religiösen wie im gesellschaftlichen Sinn, war für Maria und ihren Mann Bernd nicht nur bei den vielen eindrücklichen Gebeten am Donauufer ein Anliegen. Sie haben immer zusammen entschieden und gearbeitet. Auch rund um die Hiensölde ist ein Freundschafts-Netz der Sorge um das alte Haus entstanden und auch der kleine Weltladen war nur möglich, weil ein Kreis von Menschen sich engagierte.

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Die wahre Laudatio für Maria Birkeneder kann man nicht in einem Sitzungssaal hören. Man hört eine stimmige Laudatio im Strömungsgeräusch am Ufer der nicht gestauten Donau, man hört sie auch im Knacken und Seufzen der fast 600 Jahre alten Balken der Hien-Sölde. Man wird diese Laudatio auch im Kinderlachen eines lateinamerikanischen Dorfes hören können, weil dort durch fairen Handel die Kinderarbeit überflüssig geworden ist und die Kinder in einer richtigen Schule Hoffnung auf eine gute Zukunft entwickeln können.

Maria, ich sag: Vergelts Gott!

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